Rechtsanwälte und Mediziner sind die klassischen Berufe, für die ein Studienabschluss erforderlich ist. Quereinsteiger gibt es in diesen und ähnlichen Berufen nicht. Ohne Studium und damit indirekt auch ohne Abitur ist es nahezu unmöglich, eine solche Profession auszuüben. Ähnlich ist es inzwischen bei einigen Ausbildungsberufen. Interessierte müssen heute für bestimmte Ausbildungsplätze ein Abitur oder zumindest Fachabitur vorweisen, um nicht abgelehnt zu werden. Dabei geht es nicht um Ausbildungen zum Bankkaufmann bzw. zur Bankkauffrau oder zum Versicherungskaufmann bzw. Versicherungskauffrau, die einerseits die Abiturienten/innen gern wählen und andererseits die Unternehmen gern entsprechend besetzen. Es geht um Ausbildungsberufe, für die das Abitur oder Fachabitur faktisch eine Voraussetzung ist.
Berufe, für die ein Abitur Voraussetzung ist
Es gibt mehrere Dutzend Ausbildungsberufe, für die Schüler/innen ein Abitur mitbringen müssen. Zum einen bekommen sie (fast) nur mit einer Hochschulreife den Ausbildungsplatz. Zum anderen sind einige der fachlichen Anforderungen sehr groß, sodass eine umfassende Schulbildung unabdingbar ist. Zu den typischen Berufen, für die Bewerber/innen ein Abitur vorweisen müssen, zählen unter anderem die folgenden.
Fluglotsen-Ausbildung nur mit Abitur
Fluglotsen sind wichtige Kontrollinstanzen in der Luftfahrt. Ohne sie würde kein Flugzeug sicher starten und landen können und der Luftraum wäre ein ständiger Gefahrenherd. Die Anforderungen an Fluglotsen sind daher extrem groß. Das zeigt sich bereits bei der Ausbildung. Die Tests sind hart und die Bewerber/innen müssen mit Wissen und Soft-Skills überzeugen. Ohne Abitur haben Kandidaten/innen faktisch keine Chance auf einen der begehrten Ausbildungsplätze.
Luftverkehrskaufmann-Ausbildung nur mit Abitur
In der gleichen Branche suchen Flughäfen und Fluggesellschaften erstklassig qualifizierte Bewerber/innen für eine Ausbildung zum Luftverkehrskaufmann/zur Luftverkehrskauffrau. Diese Spezialisten kümmern sich um alle Details des Flugwesens vom Ticketing über Flugplanerstellung, Frachtkoordination bis hin zu Zollfragen. Die Arbeitgeber setzen auch hierfür ein Abitur faktisch voraus.
Info: Ähnliche Aufgaben erfüllen Schifffahrtskaufleute in der Seefahrt. Auch hier ist die Hochschulreife in der Regel die Voraussetzung, um einen Ausbildungsplatz zu bekommen.
Beamten im gehobenen Dienst nur mit Abitur
Schüler/innen, die sich für den Staatsdienst ausbilden lassen möchten, benötigen ebenfalls Abitur oder das Fachabitur. Dieses öffnet Tore in die Verwaltungsfachschulen und in Ausbildungsgänge für den gehobenen Dienst. Über diesen Weg ist ein Beamtenverhältnis möglich. Später können die Bewerber/innen leitende Positionen in Abteilungen und Behörden der Verwaltung, Finanzen, Polizei oder ähnlichen Institutionen erreichen. Bewerber/innen ohne Abitur müssen meistens mit dem finanziell weniger attraktiven mittleren Dienst vorlieb nehmen.
Investmentfondskaufmann-Ausbildung nur mit Abitur
Banken stellen gern Abiturienten/innen ein. Bei Fondgesellschaften und Großbanken ist die Hochschulreife mit wenigen Ausnahmen die Voraussetzung, um eine Ausbildungsplatz zum Investmentfondskaufmann bzw. zur Investmentkauffrau zu erhalten. Diese Spezialisten glänzen mit Fachwissen rund um die Börse und übernehmen zum Beispiel das Management eines Fonds oder bringen Unternehmen an die Börse. Die Welt der Aktien und Zertifikate verlangt eine breite Wissensbasis und daher sinnvollerweise Abitur.
Ausbildung zum Kaufmann für audiovisuelle Medien nur mit Abitur
Ein in der Öffentlichkeit wenig bekannter Beruf ist der des Kaufmanns bzw. der Kauffrau für audiovisuelle Medien. Die Arbeitgeber setzen hier ebenfalls fast ausschließlich auf Bewerber/innen mit Abitur. Der Grund: Die Spezialisten für Medien, Lizenzen und Urheberrecht müssen sich mit rechtlichen Fragen auskennen, führen Kauf- und Verkaufsgespräche, bearbeiten Aufträge und kalkulieren Angebote und ggf. sogar Veröffentlichungstermine von Medien jeder Art. Das setzt ein breites Wissen sowie ein organisiertes, teilweise fast wissenschaftliches Arbeiten voraus.
Ausbildung zum mathematisch-technischen Softwareentwickler nur mit Abitur
MATSE (mathematisch-technische/r Softwareentwickler/in) ist ein Ausbildungsgang, der sehr umfassende Informatikkenntnisse vermittelt. Die Spezialisten lernen Programmieren, Datenauswertung, problemorientierte Anwendung von Software und Projektmanagement. Auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren sie mit Informatikern und arbeiten in Unternehmen, Rechenzentren oder Forschungseinrichtungen. Das Programmieren stellt große Ansprüche an die Fähigkeiten der Auszubildenden, daher setzen Arbeitgeber meistens das Abitur voraus.
Ausbildung: spezielle Abiturientenprogramme
Einige Branchen haben sich auf besondere Ausbildungsprogramme spezialisiert, die sich speziell an Abiturienten/innen richten. Typisch sind die sogenannten Abiturientenprogramme für den Lebensmitteleinzelhandel. Die Bewerber/innen durchlaufen ein umfassendes Ausbildungsprogramm, das sie gezielt auf Managementaufgaben als Leitung einer größeren Filiale, Regionalleitung oder für das Management in der Zentrale vorbereitet. Ähnliche Programme existieren in einigen Branchen. In allen Fällen ist das Fachabitur, häufig sogar das Abitur Voraussetzung.
Lohnt sich eine Ausbildung nach dem Abitur überhaupt?
Eine Ausbildung ist trotz des Abiturs eine sehr solide Grundlage für die berufliche Karriere. Unternehmen stellen unter anderem gern Personal ein, das eine Ausbildung und ein Studium abgeschlossen hat. Die praktische Berufsausbildung und der akademische Abschluss sind ein echter Karrieremotor.
Hinzu kommen weitere Vorteile durch eine Berufsausbildung nach dem Abitur:
- schneller Berufseinstieg,
- eigenes Auszubildendengehalt,
- Entscheidung für einen Studiengang
- kann später getroffen werden,
- zusätzliche Berufsausbildung zur Absicherung bei z. B. Studienabbruch,
- Wartezeit auf einen Studienplatz wird sinnvoll überbrückt,
- Aneignen von praktischem Wissen im gewählten Beruf und dessen Branche,
- Knüpfen von Kontakten für spätere Karriereoptionen.
Eine interessante zu einer Ausbildung nach dem Abitur kann ein duales Studium sein. Dabei sind Ausbildung und Studium zu einer Einheit verknüpft, die den Auszubildenden bei Erfolg einen Doppelabschluss ermöglicht. Die Plätze für ein duales Studium sind stark begrenzt und bedingen eine (Fach-) Hochschulreife. Die fordernde Doppelausbildung ist anspruchsvoll und zeitintensiv, bietet jedoch exzellente Karriereoptionen.